Sinnig und bedeutungsvoll feiert die Kirche das dankbare Andenken an den hl. Thomas in den letzten Tagen der Vorbereitung auf das heilige Weihnachtsfest; denn er soll den Gläubigen helfen, dass sie glauben und hoffen auf den Gott, den sie noch nicht sehen, der ohne Prachtentfaltung ganz in der Stille zu ihnen kommt. Er ist unter den heiligen Aposteln derjenige, welcher mit fast eigensinniger Besonnenheit und Vorsicht nach den Gründen der Glaubwürdigkeit forschte, bevor er Geist und Herz den Glaubens-Wahrheiten unterwarf, – aber dann auch ganz unterwarf. Es ist daher billig, dass er, der die Gnade und Pflicht des beseligenden Glaubens erst recht erkannte, nachdem er durch peinliche Dunkel der Ungläubigkeit gewandelt, jetzt den Kindern der Kirche zu Hilfe kommen und sie gegen die Versuchungen stärke, welche von Seiten der stolzen Vernunft an sie herantraten.
Thomas, griechisch Didymus (der Zwilling) genannt,
war sehr wahrscheinlich ein armer Fischer aus Galiläa und wurde von Jesus in die
auserwählte Zahl der Zwölfe aufgenommen. Nach dem Zeugnis des Evangelisten war
er ein anhänglicher, lernbegieriger Schüler des göttlichen Meisters und bewies
ein rühmliches Streben nach klarer Erkenntnis und fester Überzeugung.
Als Jesus zu Lazarus eingeladen wurde mit der
denkwürdigen Bitte: „Herr, den Du lieb hast, der ist krank“, und Er zu den
Aposteln sprach: „“Lasset uns nach Judäa gehen“, mahnten sie Ihn davon ab, weil
die Juden Ihn noch vor kurzen steinigen wollten; aber Thomas rief: „Ja, lasset
uns mit Ihm gehen, dass auch wir mit Ihm sterben.“ Beim letzten Abendmahl
redete Jesus von seinem Heimgang zum Vater, von den vielen Wohnungen im Hause
Desselben und von seiner Absicht. „Ich gehe hin, für euch einen Ort zu
bereiten. Und wenn Ich werde hingegangen sein und einen Ort für euch bereitet
habe, so will Ich wieder kommen und euch zu Mir nehmen, damit auch ihr seid, wo
Ich bin. Wohin Ich aber gehe, das wisset ihr, auch den Weg wisset ihr.“ Da
sprach Thomas zu Ihm: „Herr, wir wissen nicht, wohin Du gehst, und wie können
wir den Weg wissen?“ Jesus sprach zu ihm: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und
das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch Mich.“ (Joh. 14)
Obgleich Thomas sich bereit erklärt hatte, mit
Jesus zu sterben, wurde er durch die Gefangennehmung und Kreuzigung seines
Meisters so sehr entmutigt, verwirrt und bestürzt, dass er an die Auferstehung
Desselben gar nicht glauben wollte, ungeachtet die Mitapostel ihm voll Freude
erzählten, dass sie den Herrn leibhaft, wirklich und lebendig gesehen. Thomas misstraute
nicht ihrer Redlichkeit, sondern nur ihren Sinnen und meinte, sie hätten die gehabte
Erscheinung nicht genugsam geprüft, sich getäuscht und das Schattenbild für
lebendige Wirklichkeit angesehen; deshalb erklärte er für seine Person: „Wenn
ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meine Finger darein lege und
meine Hand in seine Seitenwunde, so glaube ich nicht.“ Und acht Tage darauf
erfüllte Jesus dem Thomas seine Bedingung, indem Er zu ihm in Gegenwart der
übrigen Apostel sprach: „Lege deine Finger herein
und siehe meine Hände, und reiche her deine Hand, lege sie in meine Seite und
sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ (Joh. 20) Thomas hatte nun volle Gewissheit,
jedes Bedenken schwand vor der Sonne des Auferstandenen, dessen Gnadenstrahl
seine Seele durchleuchtete, und er bekannte voll Demut, Glauben und Liebe:
„Mein Herr und mein Gott!“ Dies waren nicht leere Worte einer augenblicklichen
frommen Aufregung, sondern die Weihe und der Stempel seines ganzen künftigen
Lebens. Jesus lobte ihn: „Weil du Mich gesehen hast, Thomas, hast du geglaubt:
selig (seliger) die, welche nicht sehen und doch glauben.“
Über diese Begebenheit schreibt schön der heilige
Papst Gregor der Große: „Dass Thomas nicht glaubte und Jesus seine Wunden von
ihm berühren ließ, geschah nicht aus Zufall, sondern aus göttlicher Fügung. Der
zweifelnde Jünger berührte die Wunden am Leibe seines Meisters und heilte
dadurch die Wunden des Unglaubens (an unserer Seele). Der Unglaube des Thomas
hat unserer Seele mehr genützt, als der Glaube der übrigen Apostel; denn indem
jener durch Berührung gläubig wurde, hat er unsern Glauben über jeden Zweifel
befestigt.“ Der hl. Augustin sagt: „Thomas, der heilig, treu und gerecht war,
hat dies Alles so sorgfältig verlangt, nicht, weil er zweifelte, sondern um
jeden Verdacht der Leichtgläubigkeit auszuschließen. Es genügte ihm ja, um zu
glauben, Den zu sehen, Den er kannte; aber für uns war es notwendig, dass er
Den, welchen er sah, auch berührte, damit wir, wenn wir etwa sagen möchten,
seine Augen haben ihn getäuscht, doch nicht sagen können, seine Hände haben ihn
betrogen. Das Sehen des Auferstandenen kann man bezweifeln, nicht aber das
Berühren Desselben.“
Nach dem Pfingstfest, als die Apostel sich
trennten, um in den verschiedenen Ländern das Evangelium zu verkündigen, zog
Thomas gen Osten zu den Parthern, einem Volk, das ganz Persien innehatte und
vor der römischen Weltmacht sich nicht beugte. Sehr glaubwürdig ist, dass er in
seinem beflügelten Eifer bis nach Indien vordrang, dort eine sehr große Herde
dem ewigen guten Hirten zuführte, und dass der Hass der Götzenpriester, welche
das kostbare Leben dieses durch die Größe seiner Wunder und die Menge seiner
Bekehrungen außerordentlichen Mannes mit Lanzenstichen zerstörten, die Würde
seines Apostelamtes mit der Märtyrerkrone verherrlichte.
Abgebildet wird der hl. Thomas gewöhnlich mit einer
Lanze, die ihn mit seinem Herrn im Himmel auf ewig vereinigte, in dessen von
einer Lanze geöffnete Seite er auf Erden seine Hand gelegt hatte; oft auch mit
einem Winkelmaß in der Hand, als dem Sinnbild eines messenden, nach voller
Bestimmtheit und Überzeugung ringenden Geistes.